Zwischen Verantwortung und Selbstfindung
- Nicole Behrend

 - 29. Aug.
 - 2 Min. Lesezeit
 
Diese Tage fragte mich jemand, ob es nicht unglaublich aufregend gewesen wäre, als ich das erste Mal im Kleid in die Bank gegangen bin. Kurz nachgedacht und zurückgeblickt konnte ich dies klar verneinen. Ich möchte das ganz und gar nicht rückwirkend verklären – natürlich war es ungewohnt und ich war auch ein wenig aufgeregt. Aber es war nicht im Geringsten mit früheren Situationen zu vergleichen, wie zum Beispiel meinen ersten Ausflügen in Frankfurt. Kein Herzklopfen, keine überbordende Nervosität – einfach ein neues, ungewohntes Gefühl, mich so im beruflichen Umfeld zu zeigen.
Solche Fragen lassen mich unweigerlich auf die letzten Monate und Jahre zurückblicken. Zum einen auf meine persönliche Entwicklung und wie es möglich war, so ruhig zu bleiben. Zum anderen auf meine Rolle als Abteilungsleiterin. Meine Reise zu meinem heutigen Ich bestand aus vielen kleinen Schritten. Abgesehen von den ersten beiden Ausflügen – die eher Sprünge waren – fand ich meinen Weg ohne abrupte Veränderungen. Ein wenig an der Kleidung, ein Hauch mehr Make-up. Erste Schritte in Neu-Isenburg, dann die Erweiterung meines Radius nach Frankfurt. Outing bei engen Freundinnen, Freunden, in der Familie und bei Kolleginnen, denen ich vertraute. Immer wieder die Grenzen ein Stückchen weiter verschoben – bis sie schließlich zu meinen Gunsten lagen.
Doch wie ist das für eine Führungskraft? Führungskräfte sollten authentisch sein – doch wie gelingt das, wenn man gleichzeitig auf einer so persönlichen Reise zu sich selbst ist? Wie wird man von den eigenen Mitarbeitenden wahrgenommen? Schließlich trägt man Verantwortung: für die Sache, für die Menschen im Team – und nicht zuletzt für sich selbst. Genau darin liegt die große Herausforderung, wenn man eine Transformation wie meine durchlebt. Authentizität bedeutet, keine Maske mehr zu tragen. Was aber, wenn man sich jahrzehntelang hinter einer Maske versteckt hat? Für mich heißt authentisch sein nicht, von heute auf morgen alles offenzulegen, sondern Schritt für Schritt näher zu sich selbst zu kommen – und diesen Weg mutig weiterzugehen.
Ich weiß, dass es auch für meine Mitarbeitenden nicht immer einfach war. Umso dankbarer bin ich, dass sie mich mit so viel Offenheit, Wärme und Unterstützung begleitet haben. Ich habe unglaublich viel Akzeptanz erfahren – und dazu noch zahlreiche unerwartete, zutiefst positive Rückmeldungen bekommen, die mir Kraft und Zuversicht gaben.
Meine Aufgabe als Führungskraft ist es, meinen Mitarbeitenden Räume zu schaffen, in denen sie wachsen und sich entfalten können. Und genau diesen Raum haben sie mir im Gegenzug ebenfalls gegeben – damit auch ich mich als Frau und Abteilungsleiterin entwickeln konnte.
Führung ist keine Einbahnstraße. Sie lebt von Vertrauen, von gegenseitiger Wertschätzung und davon, einander stark zu machen. Ich gebe Orientierung, Halt und Rückendeckung – und bekomme all das von meinem Team zurück.
Eure dankbare
Nicole













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